TV-Spots & Plakate statt Digitalmarketing: Bundesministerien investieren deutlich mehr in Werbung – aber hauptsächlich in traditionelle Kanäle

 

Digitalwerbung ist nicht erst seit Corona auf dem Vormarsch. Laut Zenith wurde dafür von deutschen Werbetreibenden in 2020 erstmalig mehr Geld ausgegeben als für traditionelle Marketingkommunikation. Damit liegt Deutschland ziemlich im europäischen Trend, allerdings deutlich hinter Ländern wie den USA und China, wo der Anteil digitaler Werbung noch höher ist.

Auch die Bundesministerien geben Geld für Werbung aus – und zwar gar nicht unerheblich: In den letzten 4 Jahren (2018-2021) waren es in Summe fast 400 Millionen Euro. Allerdings ist der Digitalanteil daran eher ein Drittel, bei einigen Ministerien sogar deutlich darunter. Dies ist eines der Kernergebnisse einer Studie, die Analyx diesen Sommer durchgeführt hat.

Werbeausgaben der Bundesministerien fast vervierfacht in vier Jahren

Die Zahlen zeigen des Weiteren, dass sich die Ausgaben der Bundesministerien für Werbung seit 2018 fast vervierfacht haben: Am Ende der letzten Legislaturperiode (2021)  gaben die obersten Behörden der Bundesrepublik über 172,6 Millionen Euro für Werbekampagnen aus.

Zum Vergleich: Damit waren die Ausgaben der Ministerien fast doppelt so hoch wie die Bruttowerbeaufwendungen der Baumarktkette Bauhaus (92,7 Mio. Euro) bzw. fast so hoch wie die von MediaMarkt/Saturn (208,7 Mio. Euro). Im Jahr 2018 lagen die Kosten für Online- und Offline-Kampagnen noch bei 48,3 Mio. Euro.

 

Gesundheitsministerium mit höchsten Werbeausgaben und höchster Steigerung 

Insbesondere Kampagnen zur breiten gesundheitlichen Aufklärung sind kostspielig. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hatte bis zum Ende des Jahres 2018 rund 29,1 Mio. Euro für Marketingkommunikation ausgegeben – absoluter Spitzenwert unter allen Ministerien. Zum Vergleich: Alle anderen Bundesministerien zusammen gaben im selben Zeitraum nur 19,1 Mio. Euro aus.

Das mit der nationalen Impf-Werbekampagne beauftragte Ministerium steigerte seine Ausgaben innerhalb der betrachteten vier Jahre nochmals um fast 400 Prozent. Vor allem im Verlauf der Corona-Pandemie stiegen die Ausgaben rasant an: im Jahr 2020 auf 50,9 Mio. Euro und im Jahr 2021 auf 144,6 Mio. Euro. 

Nicht nur das BMG hat seine Werbeausgaben in den letzten vier Jahren vervielfacht: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gab 266 Prozent, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) 242 Prozent und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) etwa 100 Prozent mehr aus. 

Die einzigen Ministerien, die ihre Ausgaben für Reklame reduziert haben, sind das Bundesministerium der Justiz (BMJ) mit etwa 84 Prozent sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit rund 30 Prozent geringeren Ausgaben.

 

Traditionelle Werbeformen dominieren

Rund zwei Drittel der Ausgaben über alle Ministerien hinweg fließen in Werbespots im Fernsehen und Kino, Werbeanzeigen in Zeitungen, Plakate an Litfaßsäulen und Plakatwänden, Flyer sowie Messeauftritte – also traditionelle Werbeformen.

“Im Vergleich zur Privatwirtschaft wird deutlich, dass die Bundesministerien weiterhin traditionelle Marketinginstrumente bevorzugen. In der deutschen Werbewirtschaft insgesamt entfallen mittlerweile knapp 50 Prozent der Nettowerbeeinnahmen (rund 12,1 Milliarden von 26 Milliarden Euro) der Vermarkter auf digitale Kanäle – bei den Ministerien ist es ein Drittel. Natürlich genießen Kanäle wie Print- und TV-Werbung eine starke Reichweite in der Gesamtbevölkerung. Und es werden eben auch Menschen angesprochen, die wenig internetaffin sind. Ob die Werbeausgaben der Ministerien von den hauseigenen Marketingcontrollern auf Effizienz geprüft werden oder ob der Werbemix noch vor der Schaltung mit modernen Methoden wie Marketing-Mix-Modeling optimiert wird, bleibt jedoch fraglich.” erläutert Sascha Stürze, Gründer und CPO von Analyx. “Auch große private Werbetreibende möchten ja vielfach die breite Bevölkerung erreichen, haben aber dennoch faktisch einen viel höheren Digitalanteil.”

Besonders das BMJ und das BMFSFJ setzen auf Offline- und Direktmarketing-Maßnahmen: Nur etwa 15 Prozent der Marketingausgaben entfallen auf Onlinemarketing. Beim BMAS und dem Bundesministerium BMDV entspricht die Verteilung dem Schnitt in der Privatwirtschaft (rund 50:50). 

Digital-Champion mit 70 Prozent Online-Werbekampagnen ist hingegen, wie sollte es auch anders sein, das Bundesministerium für Digitales und Verkehr.

 

Quellenangaben:

(1) Werbeausgaben der Ministerien:

Mittels des Informationsfreiheitsgesetzes wurden die Bundesministerien zu ihren Ausgaben der Jahre 2018 bis 2021 für Online-Werbung, d.h. jegliche Social Media-Kanäle, Banner und Display-Werbung, Ad Specials, Influencer Marketing, sowie für Offline-Werbung, d.h. jegliche Werbeanzeigen in Zeitungen, Werbespots im Fernsehen und Kino, Plakate an Litfaßsäulen und Plakatwänden, Flyer sowie Messeauftritte befragt. 

Folgende Bundesministerien haben nicht auf Anfragen geantwortet oder wollten ausschließlich gegen entgeltlichen Aufwand ihre Ausgaben mitteilen: Bundesministerium des Innern, Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Bundesministerium der Verteidigung, Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.

(2) Bruttowerbeausgaben einzelner privater Werbetreibender:

  • Bauhaus: Statista (https://de.statista.com/prognosen/1176947/bruttowerbeaufwendungen-von-amazon)
  • MediaSaturn: Horizont (https://www.horizont.net/marketing/nachrichten/nielsen-bilanz-2021-welche-kunden-und-branchen-den-werbemarkt-getrieben-haben-197255)

(3) Digitalanteil am deutschen Werbemarkt 2021:

  • Nettowerbeeinnahmen der Medien laut ZAW: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/70742/umfrage/investitionen-in-werbung-und-netto-werbeeinnahmen-seit-2004/
  • Ausgaben für digitale Werbung: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/154035/umfrage/ausgaben-fuer-online-werbung-in-deutschland-seit-2006/